15 S ophia Kleinherne spricht „fast von einem Heim- spiel“. Zu Wiesbaden, dem Spielort der beiden Länderspiele des deutschen Frauen-National- teams gegen Australien und Norwegen, hat die Abwehrspezialistin von Eintracht Frankfurt großen Bezug. Privat durch ihre Vereinskollegin Laura Stör- zel, die in der hessischen Landeshauptstadt wohnt und die sie vor der Pandemie häufig besucht hat. Beruflich durch die spezielle Erfahrung im vergan- genen Herbst, als sich Sophia Kleinherne und die DFB-Frauen in Wiesbaden für das Länderspiel gegen England einfanden, ehe ein Corona-Fall bei den Gäs- ten zur Absage führte. „Das war sehr schade, wir hatten uns fünf Tage wirklich gut vorbereitet“, erin- nerte sich die 20-Jährige, die nun die Vergleiche gegen den nächsten WM-Gastgeber Australien und gegen Norwegen als gute Gelegenheit sieht, „ver- schiedene Systeme“ zu testen. D E B Ü T V O R 8 0 . 0 0 0 Beim Spiel gegen die Niederlande (1:2) Ende Fe- bruar war Kleinherne wegen der Verletzung von Lena Lattwein in der Viererkette von außen nach innen gerückt. Kein Problem, sie findet sich in verschie- denen Systemen zurecht; ob nun im Dreier- oder Viererverbund verteidigt wird, ist für Kleinherne und ihr Spiel nur von nachrangiger Bedeutung. „Ich bin recht flexibel“, sagt sie. Ihre Auftritte für die Frauen- Nationalmannschaft bestätigen dies. Bei ihrem Debüt für Deutschland im Wembley-Stadion gegen Eng- land vor fast 80.000 Zuschauern verblüffte sie mit einer abgeklärten Vorstellung. „Ich bin immer noch sprachlos. Dieses Spiel werde ich wohl nie verges- sen“, sagt die vierfache Nationalspielerin, die „über jeden Einsatz, jede Nominierung“ froh ist. „Das ist für mich keine Selbstverständlichkeit“, sagt sie. Ihre Karriere hat Kleinherne konsequent vorange- trieben. Sie wuchs auf in Telgte, einer Kleinstadt im Kreis Warendorf im Münsterland. Während ihre Mut- ter inzwischen in Köln, ihr Vater in Münster lebt, spielen ihre erwachsenen Brüder Max und Lukas noch immer für ihren Heimatverein SG Telgte. Sie zog bereits mit 14 Jahren ins Mädcheninternat des Fuß- ball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen nach Kaiserau, spielte in dieser Zeit für den FSV Güters- loh 09, ehe sie 2017 zum 1. FFC Frankfurt wechselte. Bereits zwei Monate vor ihrem 18. Geburtstag debü- tierte die durchsetzungsstarke Abiturientin in der Frauen-Bundesliga. Mittlerweile ist sie auch Mitglied der Bundeswehr-Fördergruppe für Spitzensport- ler*innen, ein wichtiger Baustein, um ihren Sport professionell ausüben zu können. K A P I TÄ N I N D E R U 1 9 Die aktuelle Bundesliga-Saison verläuft zwar etwas holprig. Im DFB-Pokal ist das Team aber ins Finale eingezogen: „Da können wir etwas Großes erreichen“, sagt die Verteidigerin. Mittelfristig möchte Klein- herne, die parallel zum Fußball ein Fernstudium in Sportmanagement betreibt, im Verein „mehr Ver- antwortung übernehmen und in eine Führungsrolle wachsen“. Und natürlich locken als Fernziel die EM 2022 und die WM 2023. Der lange Zeitraum bis dahin sei ihre „Chance, mich zu entwickeln und zu etablieren“, sagt die Trägerin der Fritz-Walter-Medaille in Bronze (2017) und Sil- ber (2018). Kleinherne fehlt es nicht an Selbstbe- wusstsein, und das demonstriert sie beinahe in jedem Zweikampf. Kleinherne weiß, was sie kann, und dieses Wissen resultiert auch aus den Erfolgen und Erfahrungen ihrer Jugend. Sie kann mit der U 17-Natio nalmannschaft bereits auf eine gewon- nene EM verweisen, kam vor zwei Jahren auch mit der U 19 bis ins EM-Finale, als sie das deutsche Team sogar als Kapitänin durchs Turnier führte. Sie mag dies, das Verantwortung-Übernehmen, sich zeigen, vorangehen. Auf dem Platz. Anders sieht es aus, wenn der Fußball Pause hat. Dann, sagt sie, sei sie niemand, „der sich in den Vordergrund schiebt“. Wer sie als bodenständige Ostwestfälin bezeichnet, erntet sofort Zustimmung: „Privat bin ich eher die Ruhige.“ TEXT Frank Hellmann FOTO Thomas Böcker