12 D F B - A K T U E L L E M - S P E Z I A L | 2 0 2 1 U N S E R T E A M uns sehr für die Jungs gefreut. Es hat auch einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, als Mannschaft geschlossen aufzutreten. Daran wollen und werden wir anknüpfen. In den vergangenen Jahren gehörte Deutschland immer zu den absoluten Favoriten, diesmal sind die Erwartungen geringer. Kann dies sogar hilfreich sein? Für uns ist es nicht sonderlich relevant, wen die Öffent- lichkeit und wen die Experten als Favoriten ausgemacht haben. Wir spielen für unser Land, wir spielen für unsere Fans, und wir spielen, um dem eigenen Anspruch und den eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Natürlich wissen wir, in welcher Gruppe wir spielen; wir wissen auch, dass wir in der Vergangenheit den einen oder anderen Rückschlag hatten. Aber für mich zählt das nicht mehr. Wir haben unsere Ziele, und wir werden alles inves- tieren, was wir haben, um diese Ziele zu erreichen. Was sind denn die Ziele? Eigentlich ist es nur ein Ziel: Wir wollen Europameister werden. Wir wollen ins Finale kommen, wir wollen nach London, und wenn wir im Finale sind, wollen wir das Finale auch gewinnen. So offensiv? Ich finde, dass wir keinen anderen Anspruch haben kön- nen. Aber natürlich haben wir Respekt vor den Gegnern, wir gehen auch mit einer Portion Demut ins Turnier. Ich weiß, dass viele Kleinigkeiten entscheidend sein können, daher ist auch jede Kleinigkeit wichtig. Jede Trainings- einheit ist wichtig, auch jedes Gespräch, individuell und mit der Mannschaft. Wichtig sind die Mentalität und der Fokus, mit dem wir ins Turnier gehen. Ich bin sehr ehr- geizig, wir sind sehr ehrgeizig. Und dieser Ehrgeiz lässt mich sagen: Wir wollen Europameister werden. Welche Erfahrung aus Russland können Sie für 2021 nutzen? Wie gut ist es, dass der Kapitän der Mannschaft diesmal nicht aus einer Verletzung kommt und sich nicht über das Training wieder in Form bringen muss? Dieser Unterschied ist erheblich. Ich bin damals erst spät zur Mannschaft gestoßen und war bei vielen Maß- nahmen nicht dabei. Das ist diesmal anders, und das ist gut. Das gilt für mich persönlich, ich habe diesmal ganz andere körperliche Voraussetzungen, ich muss mich diesmal nicht herankämpfen, ich komme von einem hohen Level. Vor Russland habe ich mich viel um meine Gesundheit gekümmert, ich musste fit und spielfähig werden. Jetzt ist die Ausgangslage komplett anders. Mir ist bewusst, dass mich die Mannschaft nicht nur als Tor- hüter, sondern auch als Kapitän braucht. Und dieser Rolle kann ich voll gerecht werden. Als Torhüter sind Sie damit groß geworden, Verant- wortung zu tragen, als Torhüter und Kapitän haben Sie aber eine Rolle, die verantwortungsvoller nicht sein könnte. Was macht das mit Ihnen? Ich sehe es als Teil einer Entwicklung. Mit Anfang 20 hat man eine andere Sicht, man nimmt einige Dinge anders oder gar nicht wahr. Das ändert sich nicht allein durch die Kapitänsbinde, sondern schon vorher, wenn man in die Rolle als Führungsspieler hineinwächst. Man wird in andere Gespräche und Themen involviert, man ist bei diversen Besprechungen dabei und bekommt auch andere Einblicke. Natürlich habe ich als Kapitän nun noch mehr Verantwortung, ich sehe das aber als Aus- zeichnung, als Ehre, und nicht als Belastung. Ich mag es, diese Verantwortung zu tragen, ich versuche, gelas- sen damit umzugehen und der Mannschaft auch in die- ser Rolle so gut es geht zu helfen. Gibt es noch Momente, in denen Sie sich kneifen müs- sen und realisieren: „Mensch, ich bin Nationalspieler, Kapitän der Nationalmannschaft, und jetzt stehen wir vor einem großen Turnier“? Das nicht. In diese Verantwortung und in diese Rolle wächst man ja nach und nach hinein. Es ist nicht so, dass ich erschrocken wäre oder dass es Momente gibt, in denen ich mich überfordert fühle. Im Gegenteil. Ich bin sehr bei mir, ich bin gelassen, ich empfinde eine gewisse Ruhe. Ich genieße das alles sehr und bin sehr glücklich und zufrieden. Ich stehe mit einem Lachen auf und freue mich auf jeden Tag. Mir ist bewusst, dass ich die Mehr- heit meiner Turniere schon hinter mir habe, umso mehr versuche ich, hier alles so intensiv wie möglich zu erle- ben. Ich begreife diese EM als große Chance. Ich bin noch nicht Europameister geworden, dieser Titel fehlt noch – und ich werde alles geben, dies zu ändern. In der Vorrunde spielt die Mannschaft in München. Wie groß ist der Vorteil für die Münchner, im Heimsta- dion spielen zu können? Für uns ist das sehr angenehm. Nicht nur für die Münch- ner. Wir sind ja in Herzogenaurach, die Wege zu den Spielen sind kurz, wir müssen nicht fliegen, sind nach den Spielen schnell wieder im Basecamp. Im Grunde sind die Partien in München für uns eine Art Home- office, natürlich vor allem für die Bayern-Spieler. Rund 14.500 Fans werden im Stadion sein. Wie sehr freuen Sie sich, wieder vor Fans spielen zu können? Glauben Sie, dass es zunächst sogar ungewohnt sein wird, wieder mit Fan-Unterstützung zu spielen? Es wird tatsächlich wieder eine Umstellung sein, vor allem, was die Kommunikation auf dem Platz betrifft.