14 F R A U E N - N A T I O N A L M A N N S C H A F T D F B - J O U R N A L 0 2 | 2 0 2 2 Drei Jahre lang haben Sie kein Turnier gespielt, nur Testspiele und -turniere sowie die Qualifikation. Wie schwierig ist diese Zeit für Sie gewesen? Oder sehen Sie das mit einem weinenden und einem lachenden Auge? Es ist beides. Wir merken schon, dass uns der Wettbe- werb mit den Besten der Welt fehlt; das ersetzt dir halt niemand, ebenso Turniererfahrung. Wie wichtig diese Vergleiche auf internationalem Top-Niveau sind, haben ja auch die Spielerinnen der TSG Hoffenheim gespürt, die erstmals in der Champions League dabei waren. Natürlich haben wir auch in der FLYERALARM Frauen- Bundesliga einige sehr starke Teams, aber es ist trotz- dem noch mal etwas anderes, wenn du regelmäßig gegen Barcelona oder gegen Arsenal spielst. Unsere Spielerinnen müssen viel häufiger in solche Situationen kommen, damit sie nicht überrascht sind, wenn plötz- lich alles viel, viel schneller geht, wenn man weniger Zeit hat, mit weniger Kontakten spielen muss, wenn jeder Fehler gleich brutal bestraft wird – genau diese Erfahrungen machen unsere Spielerinnen besser. Es macht ja auch was mit dir, wenn die Gegner zum Teil besser sind. Entweder, es schüchtert dich ein, dann wirst du es unter den Besten nicht schaffen. Oder du nimmst es als Ansporn und arbeitest an dir. Das ist die Einstel- lung, die wir brauchen. Und wieso war diese Zeit auch positiv? Weil wir die Möglichkeit hatten, junge Spielerinnen in ihren Entwicklungen ein Stück weit länger zu begleiten, sie mit weniger Druck wachsen und reifen zu lassen. Doch das bringt auch Ungewissheit: Ich kann tatsäch- lich noch nicht sagen, wie die jungen Spielerinnen bei diesem Turnier funktionieren. Ich wünsche mir, dass die Jungen einfach total unbekümmert an die Sache her- angehen und an sich glauben. Ich arbeite oft mit dieser Fragestellung: „Du hast mit sechs Jahren angefangen, okay, überleg‘ mal: Wie viele Spiele hast du in deinem Leben schon gemacht? Es ist heute auch nur ein Fuß- ballspiel mehr.“ Wenn sie so da reingehen könnten, dann wäre es richtig gut, denn dann bekommen wir eine coole Balance hin zwischen sehr erfahrenen Spielerinnen, die vorneweg marschieren sollen, die unsere Achse bilden, und den jungen Spielerinnen, die sich keinen großen Kopf machen und einfach zeigen wollen, dass sie da sind. Und dass sie es draufhaben. Da sind wir dann wie- der bei den Themen Klarheit und Sicherheit – die müs- sen die Spielerinnen haben und die müssen sie ein Stück weit auch aus sich selbst heraus entwickeln. Sie haben nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM 2019 gesagt, dass Ihr Team daran wachsen werde. Ist das eine Wahrnehmung, die Sie heute bestätigen können? Für die Spielerinnen, die seinerzeit dabei waren und jetzt noch dabei sind, gilt das, ja. Wir haben aber auch ein paar neue Spielerinnen dazubekommen, doch auch bei ihnen bin ich zuversichtlich, dass sie von ihren Kollegin- nen einiges mitnehmen. Aber am Ende zählt vor allem das eigene Erlebnis. In den drei Jahren seit der WM haben unsere Spielerinnen eine Menge erlebt, große Erfolge, aber zum Teil auch bittere Niederlagen. Wenn ich allein an die Bayern in der vergangenen Champions-League- Saison denke: Wegen Corona spielten sie gegen Paris Saint-Germain mit dem letzten Aufgebot – und hätten 5 es dank einer unglaublichen Willensleistung beinahe geschafft, in die nächste Runde einzuziehen. Das war beeindruckend, und trotz des Ausscheidens haben die Spielerinnen aus dieser Partie enorm viel mitgenommen, vor allem die Überzeugung, dass so viel möglich ist, wenn der Wille vorhanden ist. Genau darum geht es, das wird der Schlüssel sein zum Erfolg. Sie sprechen häufig von Spielprinzipien, die die Spie- lerinnen lernen müssen. Was genau meinen Sie damit, wie sehen diese Prinzipien aus? Da will ich gar nicht zu sehr ins Detail gehen. Nur so viel: Wir haben festgelegt, was für offensive Spielprinzipien wir haben, die haben wir formuliert; wir haben ein Play- book, das wir mit Videosequenzen visualisiert haben, da können die Spielerinnen reingucken. Dann haben wir unsere Defensivprinzipien, die wir auf den Platz bringen wollen. Ich finde das sehr wichtig, weil wir einfach wenig Zeit miteinander haben. Die Spielerinnen kommen aus unterschiedlichen Vereinen mit unterschiedlichen Ideen und unterschiedlichen Systemen, deshalb haben wir gesagt, wir wollen eine Prinzipienklarheit haben, damit sich jede Spielerin, egal in welchem System wir am Ende spielen oder stehen, sicher fühlt, und diese Prinzipien müssen bei allen in Fleisch und Blut übergehen. Ein Bei- spiel: Es muss klar sein, wie wir gegen eine Dreierkette anlaufen, da werden wir Prinzipien haben und über die muss jede Spielerin im Bilde sein. Das müssen wir trai- nieren, wir müssen darüber reden und es visualisieren. Das Gleiche haben wir auch in der Box-Verteidigung. Wir haben eindeutige Prinzipien, wie wir Standards ver- teidigen, aber auch wie wir Standards spielen wollen. Das ist ein Prozess, der jetzt seit zwei, drei Jahren läuft. Herrschte im Trainerteam immer Einigkeit darüber, welches Prinzip wann und wo angewendet wird? Wir haben darüber diskutiert und unsere Ansichten aus- getauscht, daraus sind diese Prinzipien dann entstan- den. Solche Diskussionen sind unabdingbar, keiner sollte Kader, News und vieles mehr auf DFB.de/frauen- nationalmannschaft.