95 schafter der DFB-Stiftung Sepp Herberger aktiv, zudem ist er Regionalvorstand des Clubs der Nationalspieler für Nordrhein-Westfalen und Schirmherr der DFB-All- Stars. Viele Titel, viele Aufgaben und Funktionen. Viel zu tun. Hier grätscht Nowotny dazwischen. „Die Wahr- heit ist doch, dass mich vieles davon eher punktuell beschäftigt“, sagt er. „Tagfüllend ist nichts davon.“ Als Nowotny seine Karriere beendete, hatte er inner- halb des Nichtstuns eine klare Vorstellung davon, was aus ihm tatsächlich niemals werden würde: Trainer. Er hatte auch klare Vorstellungen davon, was er im Rah- men des Nichtstuns dann doch auf die Beine stellen wollte. Ganz oben auf der Liste stand, ein Kinderbuch zu schreiben, nur kurz darunter rangierte das Vorhaben, ein Brettspiel zu entwickeln. Seine Leidenschaft für Gesellschaftsspiele hat er insoweit ausgelebt, als dass er zweimal im Jahr bei sich zu Hause einen Brettspiel- tag veranstaltet, eine eigene Idee zum Spiel wachsen lassen, hat er aber nicht. Auch das mit dem Kinderbuch kann als gescheitert gelten, über ein paar Ansätze und Zeilen ist er nicht hinausgekommen. T R A I N E R B E I M D F B Gescheitert ist er auch mit dem Vorhaben, auf keinen Fall den Werdegang als Trainer einzuschlagen. Denn in der Liste seiner Funktionen für den DFB fehlt eine ent- scheidende Rolle: Seit Juli 2021 arbeitet Nowotny als Assistenztrainer der U 18-Nationalmannschaft. Hier setzt Nowotny die nächste Grätsche an. Richtig sei, dass er nie die Ambition hatte, Trainer zu werden, aber aus- geschlossen habe er nur ein Traineramt im Profibereich. Nowotny hat als Spieler auch die Schattenseiten der Branche kennengelernt, genauso wie später in seiner Zeit als Berater. Ihm widerstrebt es, Menschen nur als Spielermaterial zu begreifen, sein Ansatz besteht mehr darin, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. „Beim DFB geht es auch um Leistung“, sagt er. „Ich hatte aber immer das Gefühl, dass der Fokus mehr auf der Persön- lichkeit und deren Entwicklung liegt.“ Deswegen habe er auch nie ausgeschlossen, beim DFB als Trainer ein- zusteigen. Nowotny fiel die Entscheidung für die neue Aufgabe nicht schwer. Er war für seine Kinder da, in der Zeit als diese ihn noch sehr brauchten. „Aber die Zeiten ändern sich. Meine Kleine ist jetzt 15 und es ist, wie es ist: Je älter die Kinder werden, desto weniger brauchen sie dich. Die Kinder sitzen oben in ihren Zimmern, ich bin unten im Büro. Ob ich da bin oder nicht – interessiert keine Sau.“ Die Familie hat also nicht interveniert, als er vor neun Monaten einen Posten annahm, der nicht nur tag-, sondern sogar tagefüllend ist. Entstanden ist die Zusammenarbeit über Cheftrainer Guido Streichsbier, den Nowotny seit Jahren kennt und der mit dem Gedanken an ihn herantrat, ob dieser sich vorstellen könne, in seinem Trainerstab mitzuarbei- ten. Nowotny konnte. Und so waren nicht viele Gesprä- che mit Meikel Schönweitz, dem DFB-Cheftrainer U-Nationalmannschaften, und Joti Chatzialexiou, dem Sportlichen Leiter Nationalmannschaften, vonnöten, um aus der Vorstellung ein Arbeitsverhältnis entste- hen zu lassen. Im Trainerstab des DFB arbeiten viele Personen, mit denen Nowotny eine gemeinsame Vergangenheit hat. René Rydlewicz ist Assistenztrainer der U 15, Christian Wück ist Cheftrainer der U 16, Hanno Balitsch ist Assis- tenztrainer der U 19, Christian Wörns ist Cheftrainer der U 20, Peter Hermann dessen Assistent. Und bei der U 18 ist mit Gunther Metz ein alter Bekannter aus Karlsruher Tagen sein Kollege als Co-Trainer. Menschen, denen Nowotny vertraut – und mit Menschen, denen er ver- traut, arbeitet Nowotny gerne zusammen. „Mich hat es gereizt, und ich hatte gleich ein gutes Gefühl“, sagt er. In seiner neuen Rolle bewegt er sich aktuell in der Fin- dungsphase. Nowotny investiert viel Zeit ins Scouting, schaut sich Spiele an, häufig vor Ort, manchmal via Video. Ihm geht es darum, die Spieler des Jahrgangs zu kennen, sich ein Bild zu machen. An den Wochenenden ist er viel unterwegs, die ersten Tage der Woche stehen im Zeichen von Trainermeetings und der Pflege der Datenbank. Positionsprofile werden erstellt, welcher Spieler bringt welche Qualitäten für welche Rolle mit sich? Viel Zeit verbringt Nowotny auch mit Fortbildun- gen, die Angebote der DFB-Akademie saugt er auf: Psychologie, die neue Trainingsmethodik, die neuen Spielformen im Jugendfußball. I N T U I T I O N U N D I N T E L L I G E N Z Nowotny weiß, dass seine Erfahrung und seine Vita ihm nur begrenzt eine Hilfe dabei sind, bei den Spielern von heute Gehör zu finden. „Wenn die Spieler hören, dass ich 2006 bei der WM gespielt habe, ist ihre Schlussfol- gerung nicht, dass ich etwas vom Fußball verstehe, son- dern vor allem die, dass ich alt bin“, sagt Nowotny lachend. Den Zugang zu Spielern zu finden, sieht er als Herausforderung. Ein wichtiges Thema dabei und grund- sätzlich ist für ihn das intuitive Wissen. „Ich habe auf dem Platz früher einiges intuitiv richtig gemacht“, sagt er. Nun gehe es darum, diese Intuition zu entschlüsseln und Begriffe für sie zu finden, um sie besser vermitteln zu können. Sein Spiel zeichnete sich auch durch seine Spielintelligenz aus, Situation zu erahnen, wissen, wohin der drittnächste Pass kommen wird – all das sind Berei- che, in denen Nowotny seine Stärken sieht und aus denen er Mehrwerte für die Spieler entwickeln will. Er sagt: „Wichtig ist, das Gegenüber zu überzeugen. Und das geht nicht, indem ich nur von der Vergangenheit erzähle. Ich muss den Jungs für die Probleme des Fuß- balls von heute Lösungen anbieten.“ Sein Vertrag beim DFB hat eine Laufzeit von drei Jahren. „Für ein Fazit ist es noch viel zu früh“, sagt Nowotny. „Aber bisher macht‘s richtig viel Spaß. Die Arbeit im Trainerteam des DFB ist etwas, von dem ich mir vorstel- len kann, dass ich es auch in 15 Jahren noch mache.“ Am Ende des Heimspiels gesellt sich seine Frau Micha- ela kurz dazu. Vor 23 Jahren hat Nowotny seine erste Freundin zu seiner Frau gemacht. Die Frage, ob er ange- kommen ist, im Leben nach der Karriere, lässt er von dem Menschen beantworten, der ihn am besten kennt. „Ja“, sagt sie. Und nach einer Pause: „Er war ja nie weg.“ T E X T Steffen Lüdeke F O T O S Getty Images/Lukas Schulze