15 T E X T Stefanie Engerer A U F N E U E N P F A D E N Chiles Frauen-Nationalmannschaft nimmt 2019 erstmals an einem großen Turnier teil. Seit Trainer José Letelier das Team übernommen hat, geht es steil bergauf. D ie Geschichte des Frauenfußballs in Süd- amerika begann 1991 – jedenfalls offiziell. In diesem Jahr bestritten Brasilien und Chile das erste von der FIFA gezählte Frauen-Länderspiel auf dem Kontinent. Brasilien wurde in den Jahren danach Südamerikas Aushängeschild bei internatio- nalen Turnieren. Von acht kontinentalen Meisterschaf- ten gewannen die Brasilianerinnen sieben, sie waren bisher bei jeder WM dabei, gewannen zweimal Olym- pia-Silber und stellen in Marta Vieira da Silva, kurz Marta, eine der besten Fußballerinnen aller Zeiten. Und Chile, der Gegner bei der Premiere? War lange Zeit ein ziemlich kleines Licht im Weltfußball. Aber seit dem 22. April 2018 ist das alles vergangen und (größtenteils) vergessen. Denn mit dem abschlie- ßenden 4:0 gegen Argentinien sicherte sich Chile Platz zwei bei der Südamerika-Meisterschaft im eigenen Land und belegte erstmals den so oft ange- peilten, aber nie erreichten zweiten Platz (hinter 3 Brasilien), der zur WM-Teilnahme berechtigt. Die „Roja Femenina“ ist diesen Sommer in Frankreich zum ersten Mal beim größten Turnier im Frauen- fußball dabei. „Wir hatten schon so lange versucht, uns für die WM zu qualifizieren – das Team hat fast zehn Jahre lang dafür gekämpft“, sagt Kapitänin und Torhüterin Christiane Endler. „Entsprechend emotional war es, als klar war, dass wir endlich dabei sein würden.“ Frauenfußball hatte es über viele Jahre schwer in Chile. Erst 2009 bestritt die „Roja Femenina“ das erste Län- derspiel gegen einen Gegner, der nicht aus Süd amerika stammt. 2011 nahmen sie erstmals am Algarve Cup, einem international besetzten Turnier in Europa, teil. In den vergangenen Jahren hat sich unter Trainer José Letelier der Frauenfußball in Chile immer weiter pro- fessionalisiert. „Jetzt spüren wir, dass wir Unterstüt- zung erfahren und dass die Leute uns gerne zuschauen“, sagt Endler. „Dazu trägt natürlich auch unser Erfolg bei. Vielleicht öffnen wir ja Türen für neue Generati- onen von Frauen, die es im Sport dann möglicher- weise etwas leichter haben als wir.“ Endlers Erfahrung war auf dem Weg nach Frankreich, dem Land, in dem die 27-Jährige auf Vereinsebene bei Paris Saint-Germain aktiv ist, enorm wichtig. „Ich freue mich schon, weil ich einige der Stadien kenne, da ich mit meinem Klub bereits dort gespielt habe“, sagt sie. „Wir wissen, dass wir eine knifflige Gruppe erwischt haben, aber die Copa América hat gezeigt, dass wir über gute Spielerinnen verfügen.“ Die brau- chen sie, und zwar in Top-Form: Die Vorrunden gegner sind Schweden, die USA und Thailand.