43 T E X T Gereon Tönnihsen D iesen einen großen Moment, den hatte er noch. Nordirland spielte gegen die Niederlande, WM-Quali- fikation. Ein Journalist hatte George Best vor dem Spiel gefragt, wer der bessere Spieler sei, er oder Johan Cruyff. Best hatte gelacht und erwidert, er werde Cruyff den Ball bei erster Gelegenheit durch die Beine schie- ßen, und dann könne sich ja jeder selbst ein Urteil bilden. Ein paar Minuten waren gespielt, als Best auf seiner Außenbahn den Ball bekam, zwei Niederländer stehen ließ und quer über den Platz sprintete, geradewegs auf Cruyff zu. Dann tunnelte er ihn. Und jubelte. Vielleicht hat sich in keiner Szene das erstaun- liche, tragische, auf jeden Fall zu kurze Leben des George Best so sehr verdichtet. Best war zu diesem Zeitpunkt 30, seine Karriere, zumindest auf hohem Niveau, im Grunde vorbei, und das schon seit ein paar Jahren. Den George Best, der 1968 Europas bis dahin jüngster „Fußballer des Jahres“ geworden war, den gab es nicht mehr, zu wenig hatte er achtgegeben auf sich, zu viel hatte er getrunken. Und so lässig diese Szene mit Cruyff auch war, so machte sie auch deut- lich, wie viel mehr noch möglich gewesen wäre für den „Belfast Boy“. Best war ein Fuß- baller, der nicht mit Zahlen zu greifen ist, denn viele haben mehr Spiele bestritten, mehr Tore geschossen. Best war schnell, torgefährlich, elegant, waghalsig, spektaku- lär, einer für die Ränge, einer, für den die Leute Eintritt bezahlen. Jeder Antritt eine Liebeserklärung an den Fußball. Dank seines Aussehens und Charismas wurde Best der erste Popstar des internationalen Fußballs. Den fünften Beatle nannten sie ihn, dabei war sein Spiel noch mehr Rock’n’Roll, noch lauter, drängender, aufregender, es passte eher zu den Rolling Stones. „ G E N I E G E F U N D E N “ In das ernste, eintönige Kick and Rush brachte Best etwas Wildes, Unangepasstes, Leidenschaftliches und zugleich Leichtes. Als ihn ein Talentspäher von Manchester United das erste Mal in Belfast gesehen hatte, übermittelte er an Manager Matt Busby in die Heimat: „Ich habe ein Genie für dich gefunden.“ Best war 22, als er mit United den Europapokal der Landesmeister gewann und zum besten Fußballer des Kon- tinents gewählt wurde. Wenn er loslief, weh- ten seine Haare im Wind, er fuhr einen wei- ßen Sportwagen, hatte eine Boutique, umgab sich mit schönen Frauen. Und hielt sich viel in Bars und Clubs auf. Mit Manches- ter United ging es in den Jahren danach bergab, und mit Best irgendwann auch. Der Alkohol bekam ihn mehr und mehr in den Griff. Sein größter Gegner trug keine Fuß- ballschuhe. Mit 26 beendete Best das erste Mal seine Karriere, aber nur kurz. United lieh ihn schließlich aus für einige fürstlich bezahlte, aber sportlich eher unbedeutende Gastspiele. Danach ging er in die USA, zwi- schendurch immer wieder Engagements in England; auch in Schottland, Südafrika, Irland und Australien spielte er – nichts, was einem wie ihm auf der Höhe seines Schaffens gerecht geworden wäre. Tragisch ist, dass Best sein großes Können nie bei einem großen Turnier zeigen konnte. Er litt darunter, dass sich das nordirische Team, für das er 37 Spiele bestritt (neun Tore), in seiner Zeit nie für eine WM oder EM qua- lifizierte. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum heute außerhalb Großbritanniens viele von ihm nur seine Sprüche kennen, in denen es so oft ums Trinken geht, dass man sich fragt, wieso diesem gesegneten, bemit- leidenswerten Menschen niemand helfen konnte. „Ich hoffe“, das sagte er auch, „dass sich die Leute an mich vor allem als Fußbal- ler erinnern.“ A N E R K E N N U N G V O N P E L É George Best starb am 25. November 2005 mit nur 59 Jahren. Und die Öffentlichkeit nahm Anteil daran. Wenige Tage zuvor war in einer Boulevardzeitung ein Bild des Tod- kranken zu sehen gewesen, das Gesicht gelb und eingefallen. Darunter sein Aufruf: „Don’t die like me!“ („Sterbt nicht wie ich!“) Vor dem Old Trafford, wo Best in einer Statue verewigt ist, legten Fans Trikots, Schals, Kerzen und persönliche Botschaften zum Gedenken an ihr Idol ab. Auf einer Widmung stand: „Du hast der Welt gezeigt, wie Fußball gespielt wird.“ Eingehüllt in eine Fahne von Manches- ter United wurde sein Sarg nach Belfast gebracht, mehr als 100.000 Menschen säum- ten die Straßen. Ein Trauernder sagte: „Er war ein Teil meiner Kindheit. Es gab die Beatles, den ersten Mann auf dem Mond. Und George Best.“ Im Jahr darauf wurde der Flughafen Belfasts nach Best benannt. Für Sir Alex Ferguson ist George Best „der größte britische Fußballer von allen“, für Sir Bobby Charlton steht er „auf einer Stufe mit den besten Spielern aller Zeiten.“ Matt Busby, der Best einst zu United geholt hatte, sagte einmal: „Niemand hat je mit einem zusam- men gespielt, der wie er war, und man wird es auch nie wieder tun können.“ Sogar der große Pelé befand: „George war der beste Spieler, besser als ich.“ Und wenn in Nord- irland die Frage nach dem Größten aller Zei- ten gestellt wird, gibt es als Antwort ein schönes Sprichwort: „Maradona good, Pelé better, George Best.“