Wie schätzen Sie die Chance ein? Maes: Die Frage ist zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr schwer zu beantworten, weil wir ganz am Anfang des Bewerbungspro- zesses sind. Wichtig ist aus mei- ner Sicht, dass Deutschland an Bord ist. Der DFB weiß genau, wie man große Turniere aus- richtet. Dazu kommen die Nie- derlande als ein weiterer sehr starker Partner und aufstre- bende Frauenfußballnation. Ich denke, dass die Kombination perfekt funktionieren könnte. Wiegman: Man hört, dass auch südamerikanische und skandi- navische Länder über eine Kan- didatur nachdenken. Das sind natürlich starke Konkurrenten. Aber ich bin der Meinung, dass wir viele Argumente auf unse- rer Seite haben. Wir haben die perfekte Infrastruktur und die Anfahrtswege zu den Spielen sind kurz. Das ist optimal für die Fans, die ins Stadion kommen wollen. Ich bin wirklich sehr zuversichtlich. Neid: Femke und Sarina haben recht: Wir werden starke Kon- kurrenz bekommen, aber wir haben auch allen Grund, selbst- bewusst zu sein. Deutschland hat bereits die EM 1989 und 2001 sowie die WM 2011 ausgerich- tet, die Niederlande die EM 2017. Dabei haben wir wichtige Erfahrungen gesammelt, die uns auch bei unserer gemeinsa- men Bewerbung mit dem belgi- schen Verband helfen werden. Wiegman: Aus meiner Sicht ist das die perfekte Kombination. Da können wir etwas Großes für den Frauenfußball auf die Beine stellen. Welche Bedeutung kann das Turnier für den Frauenfußball in Ihrem Land haben? Neid: Zwei Heim-Turniere gehö- ren zu den Meilensteinen des Frauenfußballs in Deutschland. Bei der EM 1989 wurden wir erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, liefen wir erstmals live im TV und spielten in vollen Stadien. Das hat unserer Akzeptanz und zur Entwicklung des Sports enorm beigetragen. Und bei der WM 2011 war alles noch einmal deutlich größer. Ich erinnere mich noch besonders an unser Eröffnungsspiel gegen Kanada, bei dem mehr als 75.000 Zuschauer im Berliner Olympia- stadion waren. So etwas hatten wir noch nie erlebt. Auch die Wirkung über das Turnier hin- aus war bemerkenswert, das haben wir an der Entwicklung der Zahl der weiblichen Mitglie- der gesehen. Viele Mädchen haben so den Weg in die Ver- eine gefunden. Wiegman: Wir können mit der WM einen weiteren Boom für den Frauenfußball in unserem Land auslösen. Außerdem kann es die Entwicklung des Spiels beschleunigen. Wir haben das schon bei der EM 2017 erlebt. Plötzlich liefen kleine Mädchen und Jungs mit Trikots über die Straßen, auf denen Namen wie Vivianne Miedema und Lieke Martens standen. Das wäre 15 Jahre vorher, als ich selbst noch gespielt habe, unvorstellbar gewesen. Es öffnen sich plötz- lich Türen, die bis dahin doppelt und dreifach verschlossen waren. Man bekommt auf ein- mal eine öffentliche Aufmerk- samkeit, die unbezahlbar ist. Wichtig ist in diesem Zusam- menhang natürlich, dass die Leistung der Mannschaft auf dem Platz stimmt. Das war bei uns zuletzt zum Glück gegeben. Eine WM ist viel mehr als nur ein Fußballevent. Ich würde sogar sagen, dass dieses Tur- nier die Position der Frauen in der Gesellschaft stärken kann. Maes: Die Niederländerinnen sind tatsächlich genau den Weg gegangen, der auch für uns denkbar ist. Der Frauenfußball dort hat in dem Moment extrem an Bedeutung gewonnen, als klar war, dass sie die EM 2017 ausrichten werden. Das hat einen Boom ausgelöst, von dem die Niederlande nun profitieren. Sie haben unglaublich viele gute und junge Spielerinnen, die über dieses Turnier zum Fuß- ball gekommen sind. So haben sie ein Fundament gelegt, von dem sie heute profitieren. Wir müssen es nun ebenfalls schaf- fen, die Mädchen vom Fußball zu begeistern. Wenn uns das gelingt, werden wir in zehn bis 15 Jahren eine ähnliche Rolle einnehmen können. Außerdem brauchen wir Heldinnen und bekannte Spielerinnen, an denen sich die Mädchen orien- tieren können.