DIE KUNST DES GUTEN FÜHRENS

Knapp zwei Dutzend junge Frauen und Männer, alle ehrenamtlich im Sportverein oder -verband aktiv, trafen sich im Spätsommer 2021 zum Online-Gespräch mit Dr. Thomas de Maizière. Der langjährige Bundesminister des Innern und Bundesminister der Verteidigung, der zuvor das Kanzleramt geleitet hatte, sprach mit dem Sportnachwuchs über ein Herzensthema: die Kunst des guten Führens. 


Die Egidius-Braun-Akademie, und damit ein gemeinsames Angebot der DFB-­Stiftung Egidius Braun und der Deutschen Sport­jugend, bot den Rahmen für den Austausch zwischen etabliertem Spitzenpolitiker und künftigen Sportentscheider*innen.

Wie üblich im politischen Geschäft, klärte de Maizière erst mal die Ge­schäfts­grundlage. Später am Abend fände im Bundestag eine Abstimmung statt, da müsse er für zehn Minuten wegklicken. „Sie werden sich also kurz Witze erzählen müssen.“ Steif, trocken, das Gespräch mit einem „Aktenfresser“? Von wegen. 

Man muss Menschen mögen 

Der Bundesminister a. D. hatte gerade ein Buch über die Kunst des guten Führens veröffentlicht. Daraus trug er vor, an­­schließend beantwortete er Fragen. Sehr bald auch die Frage per se für das junge Ehrenamt: Wie setzen wir in bestehenden Strukturen unsere Ideen um? Wie überwindet man das „haben wir noch nie gemacht“-Bollwerk? „Sie dürfen nicht nur die Idee entwickeln, Sie müssen auch darüber nachdenken, wie Sie diese Idee durchsetzen“, riet de Maizière, inzwischen selbst 68 Jahre alt, den jungen Ehrenamtlern. „Versuchen Sie, einen aus der Machtriege der Älteren für sich zu gewinnen, aber nicht den ewigen Außenseiter.“ Selbstschutz sei wichtig und werde oft vernachlässigt, „also definieren Sie eine Schmerzgrenze, bei der Sie den Versuch abbrechen.“

Begonnen hatte er in der Sächsischen Staatskanzlei unter Kurt Biedenkopf, dem er damals auch die junge Angela Merkel als Mitarbeiterin empfohlen hatte. Fast sechs Jahre leitete er das Bundesinnenministerium, im Frühjahr 2011 übernahm er das Bundesverteidigungsministerium. Der Einsatz in Afghanistan, Terroranschläge, Flüchtlingskrise, der NSA-Abhörskandal – Thomas de Maizière blieb wenig erspart. „Diese Jahre“, summierte die Süddeutsche Zeitung, „waren so ziemlich das Schlimmste, was einem Innenminister passieren kann.“ 

Die conditio sine qua non für gute Führung: Man muss Menschen mögen. Redlichkeit und eine Haltung sind zwingende Voraussetzungen. Welche seiner Regeln er selbst gut beherzigt habe? De Maizière wählte Regel 4 – die Selbstreflexion. Und riet den zukünftigen „Leadern“: „Holen Sie sich einen Stab, der Sie kritisiert.“ Zu enge Freundschaften hinderten an klarer Führung. „Sie müssen nicht mit jedem Kollegen besoffen im Straßengraben liegen“, mahnte er und alle lachten. „Sie dürfen sich nicht von der Aufgabe auffressen lassen“, sagte er und alle blickten nachdenklich. Führung, dazu gehöre ein positives, konstruktives Verhältnis zu Macht. Lars Drygalo vom Deutschen Schachverband hinterfragte kritisch de Maizières Position. Etwa der Umgang mit der Pandemie habe doch gelehrt, so Drygalo, dass es immer mehr um Wissenserlangung und Wissensverbreitung statt Machtstrukturen gehe.

Ins Offene entscheiden

De Maizière kam schließlich auf die schwerste Voraussetzung guter Führung zu sprechen. „Die Bereitschaft, ins Offene zu entscheiden“, sagte er den jungen Ehrenamtler*innen. Wenn auch die Weichenstellung im Sportverein oder -verband weniger weitreichende Folgen hat als in der Politik, Konsequenzen erwüchsen auch hier aus einmal gefällten Entscheidungen. Und oftmals stecke man in dem Dilemma, dass beide Optionen nicht zufriedenstellen.