Wirken innerhalb des Systems Profifußball Faktoren, die eine Depression mitauslösen können? Natürlich gibt es einen hohen Druck im Fußball. Wobei ich denke, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heutzutage auch ziemlich viel Druck aushalten müssen. Oder jemand im niedrigen Lohnsektor, den treibt dann die Frage: „Kann ich nächsten Monat noch meine Fami- lie anständig ernähren?“ Die Robert-Enke-Stiftung kann den Fußball nicht verändern. Aber ich verachte es, wenn Medien Spieler persönlich diffamieren. Oder wenn Trai- ner sich verächtlich über Spieler äußern. Da läuft etwas aus dem Ruder. Journalisten, Trainer und Manager tra- gen eine Verantwortung, für das, was sie sagen. Ein bekannter und erfolgreicher Trainer hat mal über Robbi geurteilt, er habe keine Ausstrahlung. Das hat Robbi getroffen. Hat sich nichts geändert? Der Fußball ist Fußball und das hat auch nichts mit der Geschichte von Robert Enke zu tun. Nachdem die Medien berichtet hatten, dass er den Verein verlassen will, wurde er von den Gladbacher Fans angepöbelt, obwohl er in einer schwachen Mannschaft eine starke Saison spielte. Die riefen „Judas“, „Erstick‘ an deinem Geld“, „Verräter“. Er wollte dann, dass ich nicht mehr ins Stadion gehe. Aber diese Seiten des Fußballs – respektlose, verächt- liche Fans oder Medien – haben ihn nicht umgebracht. Ich gebe dem Fußball keine Schuld. Hat sich aus Ihrer Sicht in den Vereinen etwas ver- ändert? Ja, die meisten Klubs beschäftigen einen Sportpsycho- logen, zuvorderst mit dem Ziel der Leistungsoptimie- rung, aber dennoch hat der einen Blick auf die mentale Hygiene der Spieler. Auch in der Trainerausbildung wird heute Wissen über Depression und andere psychische Erkrankungen vermittelt. In den Nachwuchsleistungs- zentren sind Psychologen verpflichtend beschäftigt. Da hat sich viel getan. Der Autor Ronald Reng geht mit Ex- Profi Martin Amedick zu den Vereinen, um einen inter- aktiven Vortrag zu halten, was sehr gut von den jungen Spielern angenommen wird. Es bewegt sich viel und die Notwendigkeit dafür nimmt auch weiter zu. R O B E R T- E N K E - S T I F T U N G Die Robert-Enke-Stiftung wurde 2010 von DFB, DFL e.V. und Hannover 96 gegründet. Sie unterstützt Projekte, Maßnahmen und Einrichtungen, die Maßnahmen und Einrichtungen, die über Herzkrankheiten von Kindern sowie Depressionskrankheiten aufklä- ren und deren Erforschung oder Behand- lung dienen. Vorstandsvorsitzende ist Teresa Enke, Geschäftsführer ist Jan Baßler. Sitz der Stiftung ist Barsinghau- sen in der Nähe von Hannover. Weitere Informationen finden Sie auf robert-enke-stiftung.de 103 Wie gehen Sie selbst mit der Fassungslosigkeit von Menschen um, die nicht verstehen können, warum sich ein junger, erfolgreicher und beliebter National- spieler das Leben nimmt? Ich war ja genauso fassungslos und bin es eigentlich bis heute. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, ein Mensch, der zwar auf der einen Seite ängstlich ist, auf der anderen aber das Leben liebt? Was macht diese Krankheit mit einem Menschen? Bis zu dem Punkt, dass einer sagt, ich ertrage es nicht mehr in meinem Kopf. Der in den gesunden Phasen der liebevollste Ehemann, Freund und Vater war. Und dann sagen Leute, er kann ja wohl kein liebender Ehemann gewesen sein, sonst hätte er doch seine Familie nicht alleine gelassen. Nicht Robbi hat uns alleine gelassen. Diese Krankheit hat das mit ihm getan. In dem Moment damals am 10. Novem- ber 2009, das war nicht Robbi. Worum geht es bei der von der Robert-Enke-Stiftung initiierten „Impression Depression“? Es handelt sich um eine Virtual Reality-Erfahrung. Die- ses Angebot richtet sich an Angehörige oder Leute aus dem Freundeskreis, dem beruflichen Umfeld eines Erkrankten. Wir wollen sensibilisieren, das Verständnis für die Situation des Erkrankten schaffen. Wenn man die Brille aufsetzt, wird der Tunnel, von dem auch Robbi immer gesprochen hat, visualisiert. Diese Schwere wird durch „Impression Depression“ nachempfindbar. Die Worte und Formulierungen, die man im Gespräch mit Betroffenen immer wieder hört, sind „Versagensangst“, „tiefe Traurigkeit“, „kraftlos“, „mutlos.“ „Außer Fußball kann ich doch überhaupt nichts“, sagte Robbi manch- mal zu mir. Und was haben Sie ihm gesagt? „Geh‘ mal rüber zu unserem Nachbarn und frage den mal, ob er so ein guter Torwart sein möchte. Überleg‘ dir mal, wie wenige Sportler es schaffen, ganz oben anzukommen. Und du hast die Gabe, die Kinderstation eines Krankenhauses zu besuchen, wie dann die Augen bei den Kindern leuchten. Das ist ein Geschenk.“ Aber das kommt nicht mehr an. An dem Punkt erreicht man den Erkrankten nicht mehr. Wann gehen Sie mit „Impression Depression“ an die Öffentlichkeit? Im Oktober und November möchten wir das Projekt öffentlich vorstellen. Das kostenlose Angebot kann von Universitäten, Unternehmen, kulturellen Einrich- tungen wie Museen, aber natürlich auch von Sport- vereinen gebucht werden. Dem Nutzer stehen zwei Settings zur Verfügung: Eine heißt „Volkskrankheit Depression“, die andere „Depressionen im Leistungs- sport“, bei der uns zu unserer großen Freude der DFB und René Adler super unterstützt haben! Wir wollen Verständnis schaffen, Tabus brechen und Gespräche anbahnen. Wie werden Sie den 10. November verbringen? Robbis Mama kommt, wir werden ans Grab fahren, Freunde kommen zu Besuch. Wir werden an Robbi den- ken. Und uns die schönen und lustigen Geschichten erzählen. Traurig werde ich auch sein – schließlich fehlt er uns.