38 7 5 . D F B - P O K A L F I N A L E E I N T R A C H T F R A N K F U R T In der Stadt der Banken und Bembel genießt Kevin- Prince Boateng höchste Wertschätzung und seinen dritten Frühling. Bei der Rückkehr in seine Heimat möchte er eine starke Saison vergolden. T E X T Thomas Kilchenstein D er große Traum des Kevin-Prince Boa- teng ist in der Champions League geplatzt. Und er war nicht mal schuld daran. Schuld waren Sehnen und Bänder im Adduktorenbereich, links, bei Bruder Jérôme, die den Belastungen nicht mehr standgehalten hatten und das Familiendu- ell auf dem Rasen verhinderten, in Berlin, ihrer beider Heimatstadt. „Das wäre ein Höhepunkt. Noch mal ein Finale gegen mei- nen Bruder Jérôme, das hat‘s noch nicht gegeben, da würden wir wieder Geschichte schreiben“, hatte Kevin-Prince gesagt, kurz nach dem 1:0-Triumph von Eintracht Frank- furt im Pokal-Halbfinale auf Schalke. Es war ja auch eine Geschichte wie gemalt: Kevin- Prince gegen Jérôme, in der Stadt, in der beide aufgewachsen sind, hier der laute Kevin, dort der zurückhaltende Jérôme, Mann gegen Mann – und noch nie hatte der ältere Frankfurter gegen den jüngeren Münchner gewonnen, egal in welcher Kon- stellation, egal in welchem Trikot beide gegeneinander spielten. Dieses Endspiel ist für Kevin-Prince Boateng dessen ungeachtet etwas Außergewöhnli- ches, ein Meilenstein, selbst für einen wie ihn, der in seiner spektakulären Karriere ita- lienischer Meister, englischer Pokalsieger und ghanaischer Nationalspieler war und so ziemlich alle Täler durchschritten und Höhen erklommen hat, die es geben kann. Vor allem: Nie im Leben hätte er seinerzeit im Sommer des vergangenen Jahres, als er überraschend aus Las Palmas in die Bundes- liga zurückgekehrt war, mit solch einem krö- nenden Abschluss eines erstaunlichen Jah- res gerechnet. Es war Fredi Bobic, der unlängst im ZDF-Sport- studio erklärt hat, wie es war, als Eintracht Frankfurt plötzlich die Personalie Boateng aufrief. „Ich habe dem Aufsichtsrat die Spie- ler vorgestellt, die ich gerne holen würde“, erzählte der Frankfurter Sportvorstand. „Als ich die Folie mit Kevin-Prince Boateng an die Wand geworfen habe, dachten die: Ich mache einen Spaß. Das kann nicht sein.“ Und wie es sein konnte: Kevin-Prince Boa- teng, dieser vermeintliche „Bad boy“, ent- puppte sich als Volltreffer für den hessischen Bundesligisten. Ohne ihn, da sind sich viele sicher, hätte Eintracht Frankfurt in dieser Saison nicht diesen Erfolg gehabt – und ins Finale wäre sie auch nicht eingezogen. C H E F I M T E A M Es ist ja nicht nur der Fußballer Boateng, der da von der Ferieninsel gekommen war. Was ihn so wertvoll für diese Mannschaft machte, ist seine Präsenz auf dem Spielfeld, sein Charisma, seine Aura. Er ist der Chef im Team, unumschränkt, er führt die Spieler, gibt Rhythmus und Tempo vor. Er ist das, was früher als „verlängerter Arm des Trainers“ umschrieben wurde. Niko Kovač, im glei- chen Berliner Kiez wie der 16 Jahre jüngere Paradiesvogel aufgewachsen, weiß das; er vertraut ihm, nicht blind, aber womöglich ein bisschen mehr als anderen: „Kevin gibt der Mannschaft Stabilität und Mentalität.“ Wenn es je eine Führungspersönlichkeit gegeben hat, dann ist er eine. Kovač nennt ihn „meinen Krieger.“ Dass der Mittelfeldspieler, früher bei AC Mai- land, FC Portsmouth oder Tottenham Hotspur sowie in der Bundesliga bei Hertha, Dortmund und Schalke am Ball, eh über „spielerische Qualitäten verfügt, die es nicht allzu oft in der Bundesliga gibt“ (Kovač), ist unstrittig. Er ist der beste Fußballer im Team, er verliert kaum einmal den Ball, und wenn doch, zieht er noch einen Freistoß. Was er im Spiel tut, hat Hand und Fuß, ob es der 40-Meter-Pass aus dem Fußgelenk ist oder der überraschende Hackentrick, wie unlängst im Spiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Er hat im Sturm gespielt, im defensiven Mittelfeld und im offensiven, er kann das, ist vielseitig einsetzbar. Er hat fast alle Spiele in dieser Saison gemacht, dazu sechs Tore erzielt. Sein Wert für diese Mannschaft aus der gan- zen Welt ist aber noch ein anderer. Kevin- Prince Boateng, reichlich tätowiert und extrovertiert, gilt vielen im Team, gerade den Jüngeren, als Vorbild. Sie schauen zu ihm auf, gucken sich einiges ab. Dass etwa Marius Wolf in dieser Runde derart durch- startete, hat mit Boateng zu tun; er hat ihn unter seine Fittiche genommen und schon mal auf ein Wochenende nach Mailand eingeladen, wo sie gemeinsam mit dem